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Verkehr und Klimakrise

Mittwoch, 27.01.2021, #forschen

Es ist dringend nötig, Wege zu finden, um Mobilität emissionsärmer zu machen. Die Kombination mehrerer Maßnahmen ist dabei entscheidend.

Am 13. Jänner 2021 wurden im Umweltausschuss im österreichischen Parlament die konkreten Maßnahmenforderungen des im Vorjahr von fast 400.000 Österreicher_innen unterstützten Klimavolksbegehrens behandelt. In der Diskussion nahm darin ein Bereich den weitaus größten Raum ein: der Verkehr. Das verwundert wohl nicht. Denn um die Pariser Klimaziele zu erreichen, sind umfassende und grundlegende Veränderungen zwar praktisch in allen Sektoren Österreichs notwendig, ein besonderes Problem stellt dabei aber der Personenverkehr und insbesondere der Autoverkehr dar. Denn dieser ist nach wie vor für große Emissionsmengen verantwortlich ist. Außerdem ist der Verkehrsbereich der einzige, in dem die Emissionen seit 1990 signifikant gestiegen sind [1 – 2]. Es ist daher dringend nötig, Wege zu finden, um Mobilität emissionsärmer zu machen.

Aufgrund des hohen sozialen und persönlichen Stellenwerts von Autoverkehr und der Macht der Gewohnheiten ist es unmöglich, diese notwendigen Änderungen im Mobilitätsbereich bei bestehenden Rahmenbedingungen allein durch Information und Bewusstseinsbildung umzusetzen [3]. Daher ist hier die öffentliche Hand gefragt, diesen Umstieg durch ein gut abgestimmtes Bündel an Verkehrsmaßnahmen zu ermöglichen [4 – 5]. Die Kombination mehrerer Maßnahmen ist dabei entscheidend, da Einzelmaßnahmen nicht ausreichen werden, um die Emissionsreduktion zu erreichen [6]. Außerdem sieht sich der Verkehrsbereich mit mehreren Problemstellungen gleichzeitig konfrontiert (wie zum Beispiel Luftverschmutzung, Unfälle, Bodenversiegelung, Stau, Lärm, etc.) [7 – 9]. Mit einer geschickten Maßnahmenkombination ist sogar eine Win-Win-Situation zwischen diesen Zielrichtungen wahrscheinlich.

Verkehrsmaßnahmen können gemäß dem sogenannten Avoid-Shift-Improve Konzept in drei Kategorien zusammengefasst werden: Transportvermeidung (AVOID) (z.B.: durch räumliche Veränderungen, Stichwort: Stadt der kurzen Wege), Transportverlagerung (SHIFT) (z.B.: durch ein attraktiveres öffentliches Transportsystem) und Transportverbesserung (IMPROVE) (z.B.: effizientere Fahrzeuge und E-Mobilität) [10].

Vergleicht man diese drei Gruppen, sind derzeit vor allem Transportverbesserungen sowohl politisch als auch zivilgesellschaftlich sehr beliebt, da hier wenige Änderungen im System stattfinden müssen [3]. Wollen wir jedoch die notwendigen Veränderungen erzielen, braucht es eine ganzheitliche Betrachtungsweise [11] und ein Maßnahmenpaket, das Instrumente aus allen drei Kategorien vereint.

Platz für Menschen
Um ein nachhaltiges Mobilitätssystem zu schaffen, wird es notwendig sein, den Autoverkehr zum Teil zurückzudrängen und Platz für andere Verkehrsmittel, vor allem aber Platz für den Menschen, zu machen. Dafür braucht es eine Reihe an sogenannten Push-Maßnahmen, also jenen mit restriktivem oder Verbots-Charakter [11]. Konkret wären solche systemverändernden Maßnahmen zum Beispiel Fahrverbote in Innenstädten oder ein Neuzulassungsstopp für Verbrennungsmotoren. Auch eine wesentliche Erhöhung der Mineralölsteuer würde einen Push in allen drei Kategorien auslösen.

Gleichzeitig wird es aber nicht reichen, nur Mobilität einzuschränken und fossile Energieträger zu verteuern, ohne attraktive Alternativen zu bieten [12]. Ist Letzteres nicht der Fall, ist öffentlicher Widerstand zu erwarten, weshalb die Maßnahmen nur theoretisch effektiv wären und es daher oft nicht in die Umsetzung schaffen [13]. Beispiele für solche angebotsseitigen Maßnahmen sind persönliche Mobilitätsberatungen, Anreize für Rad-, Fuß- und öffentlichen Verkehr, Förderungen für E-Mobilität oder eine Verbesserung der Rahmenbedingungen für Homeoffice-Konzepte. Es geht also um die Balance zwischen Angeboten und Einschränkungen, die sich gegenseitig die Waage halten sollen [14].

In Österreich ist es dabei unbedingt notwendig, die umfassenden Förderungen des Straßenverkehrs zu reduzieren (derzeit pro Jahr fünf Prozent des Bruttoinlandsprodukts [15]). Das gilt beispielsweise für das derzeit stark Pkw-orientierte Pendlerpauschale. Hier bräuchte es eine verkehrsmittelneutrale Umgestaltung:
(a) Mitberücksichtigung von zumutbaren ÖV-Teilstrecken in der Kostenrechnung,
(b) höhere Kilometersätze ausschließlich für die Strecken bis zum nächsten relevanten ÖV-Knotenpunkt und
(c) eine sozial gerechtere Ausgestaltung nicht mehr als Freibetrag (der die transferierte Summe mit dem Einkommen effektiv steigen lässt), sondern als (einkommensunabhängig wirksamer) Absetzbetrag.

Natürlich ist klar, dass eine Veränderung zu einem nachhaltigen Mobilitätssystem auf einen gewissen Widerstand stoßen muss: Wir tendieren dazu, Gewohnheiten schwer abzulegen und lassen uns nicht gerne in unserem Verhalten einschränken [16]. Allerdings sind die positiven Aspekte einer Verkehrswende beachtlich. Neben der Vermeidung der Klimaschäden ist damit ein großer Gewinn für uns alle verbunden: Die Reduzierung des Autoverkehrs bringt gleichzeitig sauberere Luft und sicherere Wege mit sich. Der gewonnene Platz kann dazu verwendet werden, um Grünflächen und Lebensraum insgesamt zurück in die Stadt zu holen und durch vermehrtes Rad fahren und zu Fuß gehen kann die eigene Gesundheit gefördert werden. Es ist daher wichtig, nicht nur mögliche Mobilitätseinschränkungen, sondern auch dadurch entstehenden Chancen im Auge zu behalten.

 

Referenzen
1) Anderl, M., Burgstaller, J., Gugele, B., Gössl, M., Haider, S., Heller, C., Ibesich, N., Kampel, E., Köther, T., Kuschel, V., Lampert, C., Neier, H., Pazdernik, K., Poupa, S., Purzner, M., Rigler, E., Schieder, W., Schmidt, G., Schneider, J., Schodl, B., Svehla-Stix, S., Storch, A., Stranner, G., Vogel, J., Wiesenberger, H., & Zechmeister, A. (2018). Klimaschutzbericht 2018. Umweltbundesamt

2) Heinfellner, H., Ibesich, N., Lichtblau, G., Stranner, G., Svehla-Stix, S., Vogel, J., Wedler, M., & Winter, R. (2018). Sachstandsbericht Mobilität und mögliche Zielpfade zur Erreichung der Klimaziele 2050 mit dem Zwischenziel 2030: Kurzbericht. Umweltbundesamt

3) Berger, G., Feindt, P. H., Holden, E., & Rubik, F. (2014). Sustainable Mobility—Challenges for a Complex Transition. Journal of Environmental Policy & Planning, 16(3), 303–320. https://doi.org/10.1080/1523908X.2014.954077

4) Cohen, S. A., Higham, J., Gössling, S., Peeters, P., & Eijgelaar, E. (2016). Finding effective pathways to sustainable mobility: bridging the science–policy gap. Journal of Sustainable Tourism, 24(3), 317–334. https://doi.org/10.1080/09669582.2015.1136637

5) Kivimaa, P., & Kern, F. (2016). Creative destruction or mere niche support? Innovation policy mixes for sustainability transitions. Research Policy, 45(1), 205–217. https://doi.org/10.1016/j.respol.2015.09.008

6) Givoni, M. (2014). Addressing transport policy challenges through Policy-Packaging. Transportation Research Part A: Policy and Practice, 60, 1–8. https://doi.org/10.1016/j.tra.2013.10.012

7) Jochem, P., Doll, C., & Fichtner, W. (2016). External costs of electric vehicles. Transportation Research Part D: Transport and Environment, 42, 60–76. https://doi.org/10.1016/j.trd.2015.09.022

8) Santos, G., Behrendt, H., Maconi, L., Shirvani, T., & Teytelboym, A. (2010). Part I: Externalities and economic policies in road transport. Research in Transportation Economics, 28(1), 2–45. https://doi.org/10.1016/j.retrec.2009.11.002

9) Steg, L., & Gifford, R. (2005). Sustainable transportation and quality of life. Journal of Transport Geography, 13(1), 59–69. https://doi.org/10.1016/j.jtrangeo.2004.11.003

10) Dalkmann, H., & Brannigan, C. (2007). Transport and Climate Change. Module 5e. Sustainable Transport: A Sourcebook for Policy-Makers in Developing Cities. https://doi.org/10.13140/2.1.4286.8009

11) Geels, F. W., Sovacool, B. K., Schwanen, T., & Sorrell, S. (2017). The Socio-Technical Dynamics of Low-Carbon Transitions. Joule, 1(3), 463–479. https://doi.org/10.1016/j.joule.2017.09.018

12) Kent, J., Dowling, R., & Maalsen, S. (2017). Catalysts for transport transitions: Bridging the gap between disruptions and change. Journal of Transport Geography, 60, 200–207. https://doi.org/10.1016/j.jtrangeo.2017.03.013

13) Sørensen, C. H., Isaksson, K., Macmillen, J., Åkerman, J., & Kressler, F. (2014). Strategies to manage barriers in policy formation and implementation of road pricing packages. Transportation Research Part A: Policy and Practice, 60, 40–52. https://doi.org/10.1016/j.tra.2013.10.013

14) Thaller, A., Posch, A., Dugan, A., & Steininger, K.W. (in press). How to design policy packages for sustainable transport: balancing disruptiveness and implementability. Transportation Research Part D: Transport and Environment

15) Steininger, K.W., Bednar-Friedl, B., Knittel, N., Kirchengast, G., Nabernegg, S., Williges, K., Mestel, R., Hutter, H.-P., & Kenner, L. (2020). Klimapolitik in Österreich: Innovationschance Coronakrise und die Kosten des Nicht-Handelns, Wegener Center Research Briefs 1-2020, Wegener Center Verlag, Universität Graz, Austria, Juni 2020. Insbesondere Anhang A.3. https://doi.org/10.25364/23.2020.1

16) Seto, K. C., Davis, S. J., Mitchell, R. B., Stokes, E. C., Unruh, G., & Ürge-Vorsatz, D. (2016). Carbon Lock-In: Types, Causes, and Policy Implications. Annual Review of Environment and Resources, 41(1), 425–452. https://doi.org/10.1146/annurev-environ-110615-085934

Anna Dugan ist Dissertantin in Volkswirtschaftslehre im FWF-DK Climate Change an der Universität Graz. Für ihre Dissertation am Wegener Center für Klima und Globalen Wandel forscht sie unter anderem zu den makroökonomischen Auswirkungen einer nachhaltigen Mobilitätswende.

Annina Thaller ist Dissertantin im Bereich Umweltsystemwissenschaften im FWF-DK Climate Change an der Universität Graz. In ihrer Dissertation am Institut für Systemwissenschaften, Innovations- und Nachhaltigkeitsforschung beschäftigt sie sich mit disruptiven Mobilitätsmaßnahmen für eine nachhaltige Gestaltung des Personenverkehrs.

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